Es gibt in Bosnien einen Witz, der geht so:
Ein Bosnier wandert nach Deutschland aus und ist begeistert davon, wie reibungslos und geordnet das Leben dort funktioniert. Eines Tages möchte er sich dafür bei den Deutschen bedanken. Also geht er in die Fußgängerzone und spricht den ersten an, den er sieht: „Danke dafür, dass ich hier in Deutschland leben und arbeiten darf, danke für die deutsche Ordnung und die Arbeitsmoral, die das Land so stark machen.“ Der andere lächelt und sagt: „Ich finde das auch toll, ich bin Slowene.“ Oh, macht der Bosnier und geht weiter. Auch dem nächsten, den er trifft, sagt er sein Sprüchlein auf: Die deutsche Arbeitssamkeit begeistere ihn so sehr, danke, dass er Teil davon sein darf. Der andere sagt: „Ich bin Kroate.“
Da wirft der Bosnier die Hände in die Luft und ruft: „Wo sind die ganzen Deutschen denn?“ Der Kroate sagt: „Es ist Mittwochs um zehn. Die arbeiten.“
In Bosnien funktioniert das Leben grundsätzlich langsamer. Langsam heißt hier polako.
Und das muss auch so sein, denn man kann sich in diesem Land grundsätzlich nicht schnell fortbewegen: Hier ist es nämlich sehr, sehr bergig. Es gibt eine Autobahn, die A1 zwischen Sarajevo und Zenica, und die ist noch nicht fertig. Durch das restliche Land führen Landstraßen. Die sind landschaftlich sehr sehr schön, führen vorbei an atemberaubenden Gipfeln, kristallklaren Bergseen und durch kleine Dörfer in kleinen Tälern, es ist wirklich, wirklich hübsch. Aber es ist - genau, langsam. Für eine Strecke von 300km benötigt ein Bus sieben Stunden, ein Auto fünf. Und wenn der Bus dann noch im Stau steht, weil irgendjemand auf einer dieser irrwitzig winzigen Landsträßchen einen Autounfall hatte und das Auto jetzt die Straße blockiert? Tja - polako.
Aber man wäre nicht in Bosnien, hätte man dafür keine Lösung. Denn die bosnische Antwort auf polako ist ihr Lebensgefühl: Ćejf.
Ćejf, das ist: Genuss, sich verwöhnen, im Moment leben, ist ‚Mir ist gerade alles so was von egal, ich nehne mir Zeit für mich selbst.' Frei nach dem Motto Gibt das Leben dir Stress, trink Kaffee.
Du musst zur Arbeit, aber der Chef ist noch nicht mit dem Auto zurück? Gehen wir doch erstmal Kaffeetrinken.
Es ist Dienstbesprechung? - Gehen wir doch dazu Kaffeetrinken.
Dein Auto steckt im oben erwähnten Stau fest? Geh Kaffeetrinken.
Genau das macht der Busfahrer dann auch. Sich aufregen bringt doch eh nichts.
Es gibt eigentlich nicht zu wenig Zeit, man muss sie sich nur nehmen. In Bosnien kann man das besonders gut.